Was tun, wenn ich nicht reisen kann?

Wir stehen auf dem Schulhof am ersten Tag nach den Ferien. Eine Schülergruppe erzählt in der Pause von den Erlebnissen im Urlaub. Sven ist begeistert. Er war in Schweden mit einer Jugendgruppe. Elvira flog mit ihren Eltern nach Mallorca, das hat ihr sichtlich gefallen. Kai war sogar auf einer AIDA Kreuzfahrt. Micha und sein Bruder Klaus beschweren sich ein wenig, dass sie in den Alpen mal wieder Bergwandern mussten. Dietmar dagegen hatte es besser. Er liebt die Campertouren, die seine Eltern in ganz Europa unternehmen. Ina und Janis stehen etwas stumm dabei. Sie haben nichts zu erzählen. Sie mussten zu Hause ihren Urlaub verbringen. Ihre Familien gingen nicht auf Reisen. Die Szene ist erfunden, aber so ähnlich könnte es sein auf dem Schulhof nach den Ferien.

Insgesamt leben mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland in Haushalten, die zu arm für Urlaubsreisen sind. Die Zahl ist zwar leicht sinkend und in vielen anderen Ländern müssen noch mehr Menschen zu Hause bleiben. Dennoch ist es sehr traurig, dass so vielen Mitbürgern das Reisen verwehrt erscheint.

fünf lachende Jugendliche verschiedener herkunft liegen auf dem Bauch und sind fröhlichin the factory- young boss and worker in conversationStatistiker erheben diese Zahlen jährlich mit viel Akribie. Politiker fordern mehr Gerechtigkeit ein. Was aber kann man den betroffenen Menschen raten, die nicht auf Reisen gehen, obwohl sie es gerne würden?

Bezeichnen wir diese Menschen einmal als Not Packer, in Abgrenzung zu Flashpackern oder Backpackern, Pauschaltouristen oder Jetsettern. Not Packer würden gerne reisen. Aber das Geld reicht nicht aus – oder sie empfinden es zumindest so. Ein zweiter Grund ist die fehlende persönliche Freiheit. Hinderungsgründe sind hier Großeltern, Kinder, Tiere, Job oder Haus. Grund erkannt, Gefahr gebannt? So einfach ist es nicht, aber wir haben Vorschläge für Not Packer, die alle geeignet sind, die nächste Urlaubszeit so zu gestalten, dass auch Ina und Janis ihren Schulkameraden von tollen Erlebnissen erzählen können.

Vorschläge für Menschen ohne Urlaubsreise

1       Aufregende Urlaubstage zu Hause verbringen

Ina könnte erzählen: ich habe tolle Abenteuer Ferien verbracht. Ich habe in einem Tipi übernachtet, habe mir einen Hochsitz gezimmert, war nachts mit Fackeln unterwegs, bin im See geschwommen und habe einen Geheimort zum Chillen gefunden.

Kinder können in einer Jugendferienfreizeit oder bei den Pfadfindern viel Spannendes erleben. Meist übersteigt das sogar die kindgerechten Aktivitäten, die Eltern während einer Reise für die Kids einplanen können. Auch zu Hause sind die Ferien aufregend gestaltbar. Fast ohne Geld ist es mit etwas Fantasie und Ortskenntnis den Eltern möglich, kindgerechte spannende Abenteuer zu organisieren: Lehrpfade oder Joggingkurse im Wald durchlaufen, an einem Fluss oder See baden gehen, ohne Wege quer durch den Wald wandern, unbekannte Stadtteile durchstreifen, neue Speisen ausprobieren, in einer Bücherei in unbekannte Wissensgebiete eintauchen, wie Karl May Geschichten erfinden, die in Gegenden spielen, die man selbst nie gesehen hat.

Und was ist mit den Erwachsenen, die nicht verreisen können? Auch für sie ist Spannendes und Genüssliches in der Nähe vorhanden. Oft liegt noch Neuland in der Heimat brach, das entdeckt werden will. Hast Du schon alle Sehenswürdigkeiten Deiner Umgebung besichtigt? Hast Du Fotos von Deinem Wohnort gemacht? Wie steht es mit einem Picknick auf der Waldlichtung, die auf einer kleinen Wanderung erreichbar ist? Was würdest Du als Tourist in Deiner Region unternehmen?

Welches Schwimmbad könnte einen Hotelpool ersetzten? Welche neuen Speisen könnten uns schmecken und würden Urlaubsstimmung verbreiten? Machen wir einfach die Reisezeit zu einer Entdeckungszeit, bei der wir die Anreise ersparen und im eigenen geliebten Bett nächtigen können.

 

2       Zuschüsse erhalten

Unsere Gesellschaft sieht sich in der Pflicht Menschen mit geringem Einkommen zu helfen, Erholung und Urlaub zu haben! Es gibt daher eine Förderung und Unterstützung  von Familien mit unzureichendem Einkommen.

Die Familienferienstätten der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung sind gemeinnützige Einrichtungen und wenden sich besonders an Familien, die bestimmte Kriterien erfüllen.

In acht unserer 16 Bundesländer können Familien Individualzuschüsse zum Urlaub in gemeinnützigen Familienferienstätten beantragen. Damit erhalten einkommensschwache Familien die Möglichkeit, Erholungsurlaub zu machen.

Eine gute Informationsquelle im Internet ist https://www.urlaub-mit-der-familie.de/zuschuesse.

Auskünfte erhalten Sie auch in fast allen Familienberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände (Caritas, Diakonie, Der Paritätische, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz).

Mehr als 3 Millionen Deutsche leben mit dem Arbeitslosengeld II, einer Grundsicherungsleistung für Arbeitssuchende. Dürfen Hartz-IV-Empfänger in den Urlaub fahren, ohne dass sie ihre Unterstützung gefährden? Die Antwort lautet: Ja! Grundsätzlich können Erwerbslose 6 Wochen im Jahr Urlaub nehmen, wobei sie in dieser Zeit 21 Tage voll finanziell unterstützt werden.

3       Von Backpackern lernen

Janis könnte von einem Aktivurlaub mit Fahrrad und Zelt erzählen. Er war – nicht aus Geldgründen, sondern der Gesundheit wegen  – mit den Eltern von zu Hause aus losgestrampelt. Von Wiesbaden ging es den Rhein entlang. Eines der schönsten Flusstäler der Welt wurde hautnah erlebt. Burgen wurden erstürmt, steile Weinbergspfade hinaufgekraxelt und alte Fachwerkgemäuer bestaunt. Abends wurden die Zelte aufgebaut und gesungen, warum ist es am Rhein so schön. In den folgenden Tagen bogen sie ins Moseltal ein als zweites Highlight ihrer Zweitäler Fahrt. Obwohl mit wenig Gepäck und Geld war es eine glückliche, gemütlich, sportlich und entspannende Zeit.

Wir alle können zurückkehren zu Reiseformen unserer Jugend oder zum einfachen Leben der Low Budget Reisenden. Dies ist meist sehr erfrischend. Ballast scheint abgeworfen. Im Fokus steht das Wesentliche: Natur, Gesundheit, Frischluft, Bewegung.

Ich habe mir vor kurzem in Oslo eine Jugendherberge gesucht, weil Hotels dort sehr teuer sind. Welch ein Glück ist es, das diese nicht nur junge Leute aufnehmen, sondern auch jung gebliebene. Es war toll, einige Dollars zu sparen, aber noch besser war, dass wir mit vielen Jugendlichen zusammenkamen, die motiviert und positiv auf Weltentdeckungstrips waren.

Wenn das Geld knapp ist, machen wir am Besten aus der Not eine Tugend. Wir reisen wie die Backpacker und haben Spaß dabei.

4       Billigurlaube finden und wagen

Karin könnte erzählen, dass sie das erste Mal geflogen ist. Sie war sogar auf einem anderen Kontinent – in Ägypten in Afrika. Wie kam es dazu, dass Karin, die bekanntermaßen aus ärmlichen Verhältnissen stammt, so etwas erzählen kann.

Nun, es gibt Reiseangebote, die so günstig sind, das man es als erfahrener Touristiker selbst kaum glauben kann.

Ich war beispielsweise bei meiner ersten Flugreise nach Mallorca 5 Tage für 99 DM unterwegs – Flug und Hotel inklusive. Das war zugegebener Maßen vor mehr als 40 Jahren. Aber Billigangebote gibt es immer. Vor kurzem war ich im Winter in der Türkei und auf Zypern mit täglichen Busausflügen und 4-Sterne Hotels. Alles zusammen kostete keine 300 Euro.

Anbietern wie Travelzoo, Reisegurus oder Urlaubspiraten bieten ständig Schnäppchen, weil sich diese Unternehmen darf spezialisiert haben, supergünstige Angebote im Internet zu finden. Ständig ist Schlussverkauf bei den Hotels- und Fluggesellschaften. Mit Last Minute Sonderangeboten versuchen sie noch etwas Geld zu machen mit Plätzen, die drohen, leer zu bleiben. Außerdem gibt es Error Fares, wo Reiseanbieter fehlerhafte Eingaben machen und dann die Buchungen hierzu akzeptieren müssen.

Diese günstigen Angebote sind bis auf große Ausnahmen akzeptabel und meistens sogar hochinteressant. Wir brauchen nur etwas Zeit, sie zu finden und etwas Mut, sie zu buchen. Wenn wohlhabendere Menschen auf Schnäppchenjagd gehen, dann sollten ärmere dies erst recht tun.

5       Un-Freiheiten herausnehmen

Piet könnte auch von einer Reise erzählen. Doch schon oft musste er in den Ferien zu Hause sein, weil seine Eltern wegen irgendwelchen Verpflichtungen nicht abkömmlich waren. Dieses Jahr aber fuhr Piet mit seinen Eltern nach Italien. Vater hatte sich in der Firma überwunden, einen Kollegen um seine Vertretung zu bitten. Mutter hatte Oma für eine Auszeit zu ihrer Schwester geschickt. Die zwei Hunde durften mitkommen und das Haus wurde vor der Abreise einbruchssicher verrammelt.

Oft verhindert nicht das Geld, sondern persönliche Zwänge eine Reise. Mit gutem Willen, etwas Mut und Kreativität können die Freiheiten organisiert werden, die es erlauben, wegzufahren. Ich wünsche eine glückliche Reise allen, die sich hierzu überwinden.

6       Tauschgeschäfte eingehen

Clara kommt mit einer ganz coolen Geschichte. Ihre Familie hat laut eigenen Aussagen kaum Geld für den Urlaub gebraucht. Sie hat einfach in den Ferien die Wohnung mit einer österreichischen Familie getauscht. So konnte man selbst kostenfrei im schönen Tirol die Berge genießen, während eine Gastfamilie in ihrer Wohnung einzog und von dort auf Claras Heimat erkundete. Im Vorfeld des Urlaubs hatte man sogar einen lebhaften Kontakt zu den Tauschpartnern in Österreich. Manch gute Insider Tipps konnte man geben und erhalten. Fast war es, als hätte man neue Freunde in Österreich gewonnen.

Ist man bereit, seine Privatsphäre für Fremde zu öffnen und moderne Reiseformen auszuprobieren, so gibt es einige Modelle, um intensive Reisen auch mit wenig Geld zu erleben.

7       Ohne Reisen sein Leben gestalten

Jens erzählt ganz cool, dass alles eine Frage der Prioritäten ist. Er und seine Familie wären zwar auch gerne in Urlaub gefahren, aber die Renovierung der Wohnung war wichtiger. Jens hat viel Handwerkliches gelernt und bringt gleich einige Beispiel bei seinen Mitschülern an. Fit für das Alltagsleben zu werden, bedeutet ihm mehr, als faul am Strand zu liegen oder in einer Disco sein Taschengeld zu verplempern.

Gritt erzählt: ich war in den Ferien arbeiten. Ich habe noch so vieles vor im Leben, dass ich mir erst einmal etwas Geld verdienen möchte. Vor dem Preis kein Fleiß. Grit ist stolz: sie hat einen harten Job durchgezogen, vor allem bei der Sommerhitze. Aber nun hat sie 500 Euro in der Tasche. Wenn ich weiter spare, argumentiert sie, und noch etwas in den kommenden Ferien arbeite, werde ich mir im nächsten Jahr mit eigenem Geld einen Traum erfüllen können. Was, das verrät sie noch nicht.

Wir sollten dazu stehen, wenn die eigenen Interessen das Reisen für einige Zeit in den Hintergrund rücken. Das Leben bringt vielfältige Chancen und Perspektiven, die wir auch anderen gegenüber selbstbewusst vertreten können. Alle, die dem Zeitgeist mit vielen Reisen folgen, müssen  akzeptieren, wenn wir uns zu anderen Werten und Prioritäten bekennen.

Wir sollten Not Packer bleiben, wenn das unser Wunsch und unsere Entscheidung ist.

Fazit

Wo immer wir aktuell stehen, es gibt Mittel und Wege. Manchmal sind es nur kleine Trampelpfade, die aus einer misslichen oder finanziell unbefriedigenden Lage herausführen. Oft sind unbekannte oder verdeckte Wege vorhanden, die wir finden müssen, um weiterzukommen. Manchmal ist auch die Zufahrt zum Highway versperrt, weil uns Steine im Weg liegen, die wir zunächst wegräumen müssen.

Beginnen wir mit der Planung für den nächsten Sommerurlaub –  wie er mit oder auch ohne Reisen zum Erfolg werden kann. Mögen diese Zeilen einigen Not Packern helfen, in Zukunft ein Leben mit mehr Freiheit, Aufbruch und Abenteuer zu gestalten.

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